Von der Regatta in die World Tour

Ein Everesting in 10 Stunden, ein KOM auf der Alpe du Zwift, fast 20.000 Jahreskilometer und erster UCI-E-Cycling-Weltmeister. Wer sich im Jahr 2020 mit Radfahren beschäftigt hat, kam an Jason Osborne kaum vorbei. Der 26-jährige Leichtgewichtruderer träumt wie wohl die meisten Leistungssportler von einer Olympischen Medaille. Im Sommer 2021 soll der Medaillentraum wahr werden und danach wartet ein Profi-Vertrag im Radsport. Doch wie kam es dazu?

Wie fühlt man sich als frisch gekrönter, erster UCI-E-Cycling-Weltmeister?

Jason: Ja, es ist erst so wirklich nach ein paar Tagen angekommen, dass es ja doch tatsächlich eine richtige WM war und man sich somit Weltmeister nennen darf. Das mediale Interesse war für mich auch überraschend. Das hätte ich mir im Vorfeld nie so vorgestellt. Dass man am Ende auch ein physisches Rainbow Jersey tragen darf, befeuert das ganze natürlich ein wenig und übermittelt eben ein echtes Weltmeister-Feeling.

 

Kam der Weltmeister-Titel für dich überraschend oder war das dein klares Ziel für das Rennen?

J: Ich ging auf jeden Fall mit der Zielstellung rein, das beste rauszuholen und wusste natürlich auch, dass ich als eher punchiger Fahrer auf dem kurzen Zwift KOM gute Chancen hätte. Als dann die Teilnehmer Liste herauskam, musste ich mich allerdings ein wenig bremsen, denn es waren ein paar große Namen auf der Liste, wie Rigoberto Uran, Freddy Ovett etc. Letztendlich wusste ich aber, dass ich zahlenmäßig gar nicht schlecht aufgestellt bin, auch im Vergleich zu den besten WT Fahrern. Aus dem Grund konnte ich mir den Sieg trotzdem durchaus vorstellen.

Wie kam es, dass du als alter Kanute deine Paddel jetzt öfters mal gegen zwei Räder getauscht hast?

J: Bitte was? Also noch bin ich Ruderer, und von Paddel weiß ich auch nichts, die heißen bei uns nämlich Skulls. 😉 Radfahren gehört seit 2012 zu meinem Training. Es ergänzt sich einfach sehr gut mit dem Rudern. Das meiste Trainingsvolumen holen wir uns auch über das Radfahren und die Spezifik geschieht dann im Boot. Das Kompetitive am Radfahren kam dann mehr und mehr in den kommenden Jahren dazu. Insbesondere als Strava ins Leben gerufen wurde, fing ich an einen KOM nach dem anderen zu jagen.

Sind Ruderer generell auch auf dem Rad sehr stark oder bist du das Ausnahmetalent?

J: Ruderer bringen sehr gute physische Voraussetzungen mit, sie verfügen oft über hohe VO2Max-Werte und können sich extemst in die Fresse hauen. Nichtsdestotrotz muss man sich aber auch individuell im Radfahren entwickeln, wenn man dort wirklich gut sein will. Deswegen würde ich sagen ist es ein guter Kompromiss aus beidem.

Im Boot sitzt du meist zu zweit – fehlt dir beim Radfahren der „zweite Mann“ oder bist du da auch gerne mal allein?

J: Mir persönlich macht Radfahren mit anderen doch deutlich mehr Spaß. Allerdings hat es schon manchmal etwas, alleine in der Natur zu sein und einfach die Ruhe genießen zu können.

Warum ist dein Motor so groß? Hartes Training oder gute Gene?

J: Ich denke zum einen hilft es mir, dass ich schon seit meinem 10. Lebensjahr mit dabei bin. Ich kann mich auch glücklich schätzen seit 2012 in Mainz zu trainieren und ich denke, dass mein alter Trainer Robert Sens mir viel Gutes mit auf den Weg gegeben hat. Aber hartes Training muss natürlich auch sein, denn nur Talent bringt einen auf lange Sicht auch nicht weit, denn es gibt ja nicht umsonst den Spruch: „Hard work beats talent when talent doesn’t work hard.“

Du fährst im Training 400km fast ohne Pause, 200km mit 40er-Schnitt und knallst gleichzeitig Berge mit über 500 Watt. Wo siehst du dein persönliches Potential?

J: Ich denke, ich bin physisch ein ziemlich ausgeglichener Athlet. Wenn es eine Rolle gibt, in der ich mich definitiv nicht sehen würde, dann wäre es die eines reinen Sprinters – es sei denn es geht natürlich bergauf. Ich habe sehr gute w/kg-Werte und kann damit vermutlich auch in den Hochgebirgen ein Wort mitreden. Die Rolle eines sehr guten Helfers wie Wout van Aert könnte ich mir gut vorstellen. Aber auch das Zeitfahren reizt mich. So ein Stundenweltrekord oder eine olympische Medaille im Zeitfahren wären auch ein Traum von mir.

Welcher KOM war bisher der härteste und welcher steht noch auf der Liste?

J: Natürlich reizen mich die prestigeträchtigsten KOMs immer am meisten. Auf einigen Segmenten, z.B. Sa Calobra oder Alpe d’Huez halte ich den KOM. Wenn man dort vor Leuten wie Thibault Pinot oder Egan Bernal steht, dann ist das schon etwas Besonderes.

Man liest immer wieder, dass es dir als Ruderer noch an der nötigen Fahrtechnik für Radrennen abseits von Zwift fehlt. Ist da was dran oder versuchen sich die anderen Radsportler damit selbst zu beruhigen?

J: Ich denke, da ist von beidem etwas dabei. Natürlich bewege ich mich in einem Fahrerfeld nicht auf Anhieb so, wie jemand der seit klein an Radrennen fährt. Ich denke, es ist immer etwas Skepsis dabei bei Quereinsteigern, das ist normal und auch gut so. Nichtsdestotrotz sind einige der großen Radsporttalente auch Quereinsteiger (Roglic, Woods, Remco). Sie zeigen auch, dass es möglich ist, wenn man sich drauf einlässt und bereit ist zu lernen.

Belgische Karamellwaffeln sind dein Geheimtipp für’s Everesting – was ist abseits vom Sport dein Lieblingsessen?

J: Puh gute Frage, ich liebe italienisches Essen. Neapolitanische Pizza oder gute Pasta stehen da denke ich ganz oben auf meiner Liste.

FTP? W/kg?

J: FTP aktuell bei 430-440Watt, bei 70kg also 6,1/6,2 W/kg


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