100% – Bora-hansgrohe Trainer Dan Lorang im Interview

 

Wie sind Sie Trainer des BORA-hansgrohe Teams geworden?

DL: Im Laufe des Jahres 2016 wurde ich von Helmut Dollinger kontaktiert, ob ich mir vorstellen könnte, für Bora-hansgrohe als Trainer zu arbeiten. Er war in Kontakt mit Ralph Denk, da er zu dem Zeitpunkt schon Athleten wie Patrick Konrad trainierte. Damals war ich noch Bundestrainer im Triathlon aber hatte schon die Entscheidung gefasst, diese Tätigkeit nach den Olympischen Spielen 2016 zu beenden. Nach einem Gespräch mit Ralph Denk und Enrico Poitschke waren wir uns dann relativ schnell einig, dass wir die Zusammenarbeit starten würden.

Sie trainieren nicht nur das BORA-hansgrohe Radteam sondern auch die beiden IRONMAN-Weltmeister Jan Frodeno und Anne Haug. Wie groß ist der Unterschied zwischen dem Training für Einzelkämpfer wie Triathleten und Radsportlern, die in Rennen miteinander arbeiten?

DL: Der Unterschied ist im täglichen Training nicht so gewaltig. Erstmal geht erst darum die individuelle Leistungsfähigkeit eines jeden Athleten maximal zu entwickeln. Natürlich werden auch mal teamtaktische Varianten wie z.B. ein Sprintzug oder ein Teamzeitfahren geübt aber grundsätzlich trainieren die Radsportler auch viel alleine oder in kleinen Gruppen. Der größte Unterschied ist sicherlich, dass die Triathleten sehr oft 3-4 Einheiten am Tag haben und der Radprofi dann meistens nach 1-2 Trainingseinheiten mit dem Training fertig ist. Daher ist im Triathlon die Frage des Zeitmanagements deutlich schwieriger als im Radsport. Auf der anderen Seite muss man die Radfahrer auch mental darauf vorbereiten, dass sie Teil des Teams sind und in gewissen Situation ihre Ambitionen zurückstecken müssen um dem Team zu helfen.

Was macht die Arbeit im Radsport für Sie so spannend?

DL: Der Anspruch im Radsport bei vielen Rennen eine gute Leistungsfähigkeit aufzubauen macht es sehr spannend und auch manchmal schwierig in der Planung. Beim Triathlon gibt es vielleicht 3-4 Höhepunkte, beim Radfahren reden wir von teilweisen 80 Renntagen und nicht selten ist eine sehr gute Form notwendig, um Ergebnisse einzufahren oder auch der Mannschaft effektiv zu helfen. Auch sind die Anforderungen bei den verschiedenen Rennen so unterschiedlich, dass man für jeden Athleten ein individuelles Konzept erarbeiten muss, sowohl physiologisch als auch psychologisch.

Was kann man als Trainer machen, um den klassischen „Im Radsport dopt doch jeder“-Vorurteilen entgegen zu wirken?

DL: Transparenz ist sicherlich eine Möglichkeit. Wir haben von allen unseren Athleten die täglichen Trainingsdaten und können Leistungsentwicklungen nachvollziehen oder aber der Öffentlichkeit zeigen. Das Sammeln von Daten, die Überprüfbarkeit und Darstellung der Arbeitsweise können aber dabei helfen, dass die Zuschauer sehen wieviel Arbeit jeder Einzelne hier investiert. Es ist nichts Anderes als in der Wirtschaft. Wenn ein Unternehmen sehr erfolgreich ist, dann kommt gleich die Frage ob es hier mit legalen Mitteln zugeht oder der Erfolg wirklich auf der harten Arbeit eines jeden Mitarbeiters beruht. Garantien wird es nie geben, aber wir sind uns der Thematik bewusst und haben eine ganz klare Philosophie im Team. Authentizität und Glaubwürdigkeit eines jeden Einzelnen sind wichtig, um Vertrauen bei den Zuschauern aufzubauen.

Was ist eine Schlüsseleinheit, die in keinem Trainingsplan fehlen sollte?

DL: Ich persönlich glaube nicht an eine spezifische Schlüsseleinheit aber trotz allem Hype um HIT und diverse andere Intervallformen sollten man nicht vergessen, dass auch die langen, lockeren Ausfahrten immer noch ihre Berechtigung haben und sie in jedem Trainingskonzept ihren Platz finden sollten.

Wie hält man ein Radteam dauerhaft motiviert?

DL: Ein Leistungssportler sollte von sich aus eine sehr hohe intrinsische Motivation mitbringen. Dabei sollte diese so angelegt sein, dass er immer das Bestreben hat sich immer weiter zu verbessern. Ziele sind wichtig aber bergen auch das Risiko, dass man bei deren Erreichung in ein tiefes Loch fällt. Hier ist man dann auch als Trainer gefordert, Perspektiven aufzuzeigen und auch immer wieder „auf den Weg“ aufmerksam zu machen. Wenn ich mich nur am Erreichen meiner Ziele definiere und motiviere, dann kann das auch mal ganz schnell nach hinten losgehen. Wenn ich aber meine eigene Entwicklung in den Mittelpunkt stelle und mich hier auch über Teilerfolge freuen kann, dann ist das eine gute Basis dafür möglichst lange motiviert zu bleiben.

Für viele Mitarbeiter ist der Radsport mehr als nur ein Job, es ist eine Leidenschaft. Daher ist es sehr wichtig, dass man auf dem Weg zu den großen Zielen diese emotionale Bindung nicht vergisst und ihr auch immer wieder „Futter“ gibt. Hier sind vor allem die Fahrer gefordert indem sie Dankbarkeit und Respekt für die Arbeit vom Staff zeigen. Ein paar gute Worte können große Motivation freisetzen, das sollte nicht unterschätzt werden.

Und am Ende ist es dann auch der Teamchef der sein Team führen und lenken muss. Er sollte die Vision vorgeben, für die seine Mitarbeiter bereit sind mehr als nur das Nötigste zu investieren. Das gilt für das große Ganze aber auch für jedes einzelne Teammitglied.

Mit welcher Einheit kann man die Jungs so richtig ärgern?

DL: Viele Radfahrer hassen es auf der Rolle zu fahren. In den letzten 3 Jahren konnte ich schon ein paar davon überzeugen, dass es ab und an ein ganz sinnvolles Training sein kann, aber es wird immer eine Hass-Liebe bleiben, egal wie groß der Trainingseffekt am Ende ist 🙂

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